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20 Jahre Sehbehinderten Tandemverein Bern

Pressetext

Ursula Wyss

Zum Auftakt der Jubiläumsfeier gratulierte Ursula Wyss den Mitgliedern des Sehbehinderten Tandemvereins Bern und lobte deren Engagement im Sinne einer inklusiven Gemeinschaft. Die Gemeinderätin und Verantwortliche für den Verkehr betonte, dass ihr die Sicherheit für alle Velofahrenden enorm wichtig sei und sich die Velo-Offensive weiter dafür einsetze mit der Vision niederländischer Verhältnisse. Ein hindernisfreier öffentlicher Raum ist ihr ein weiteres Anliegen, einige Meilensteine sind bereits realisiert. Mit einem Gutschein für eine Tandemfahrt als Stokerin in unserem Verein bedanken wir uns bei Ursula Wyss und freuen uns, ihr dieses Erlebnis zu ermöglichen.

Auf dem Versammlungsplatz herrscht reges Treiben: weisse Blindensignalstöcke werden zusammengeklappt und für die nächsten zwei bis drei Stunden überflüssig.

Die Fahrradlenker und Sättel an den Tandems werden sorgfältig in die richtige Höhe eingestellt, Trinkflaschen und Regenschutz in den Saccochen versorgt. Hier und da wird noch eine Kollegin, ein Freund begrüsst.

Die vorgängig mit viel Fingerspitzengefühl zusammengestellten Teams und Gruppen (je drei bis vier Tandems), finden sich zusammen. Die oder der Gruppenleitende teilt den Piloten mit, wo die Ausfahrt heute durchführt. Wir werden in der Gruppe zusammenbleiben und aufeinander achten. Es ist ein milder Sommerabend. Die Rauchschwalben fliegen zwitschernd um die Wette.

„Bisch parat? Drü, zwöi, eis, und los.“ So tönt es jeweils am Dienstag oder Mittwochabend von April bis Ende Oktober beim Blindenheim Bern. Hier sind unsere momentan 17 Tandems stationiert.

Seit 1984 gab es eine lose Gruppe von Tandemfahrenden, damals mehrheitlich aus dem Blindenheim. 1999 wurde der Sehbehinderten Tandemverein Bern gegründet. Er bietet Pilotenschulungen inkl. jährliche Weiterbildungen. Die Mitglieder kommen aus verschiedenen Orten, alle aus Freude am gemeinsamen sportlichen Engagement, am geteilten inklusiven Leben und an der sinnlichen Wahrnehmung der Natur.

Im Jubiläumsjahr ist der Verein auf gut 40 PilotInnen und knapp 30 sehbehinderte Menschen angewachsen. Unsere Piloten verbringen die gemeinsamen Abende als Freizeit und wollen dafür nicht entschädigt werden.

Wir haben die Stadt im Abendverkehr verlassen und fahren nun über Feldwege und Landstrassen durch die Umgebung von Bern. Es duftet nach Glycinen, Raps oder Schweinestall. In der Ferne hört man die Abendglocken läuten. Im Heugras zirpen die Grillen. Auf dem nahegelegenen Feld steigt eine Lerche in den Abendhimmel. Und es ist zum „Jutze“. Die Gewitterwolken, die sich am Horizont auftürmen, machen uns keinen Eindruck. Notfalls ziehen wir die Regenschütze an und wissen, dass ein Gewitter mit allfälligem Regenguss zum Leben gehört.

Als es einnachtet, nähern wir uns wieder der Neufeldstrasse. Die Wangen glühen, Freude herrscht über die zurückgelegten Kilometer. Oft sind wir auch um einen persönlichen Erfahrungsaustausch zwischen Pilot und Mitfahrender reicher.

Die gemeinsam erfahrene Kilometerzahl beläuft sich im Jubiläumsjahr insgesamt auf 25’000 Kilometer, was einer Flugreise von Bern nach Santiago de Chile und zurück entspricht; oder einer Flugreise in den Südwesten Australiens. Nicht schlecht.

Unsere Fitness in den Wintermonaten erstrampeln wir uns u.a. im Gmües Esel, einem Fitnessraum, an dessen Geräten Körnermühlen fixiert sind. Die so aus eigener Muskelkraft gemahlenen Maiskörner geniessen wir zu Saisonende anlässlich eines Polentaessens. Unser Vereinsleben darf auf schöne gemeinsame Stunden nach den Ausfahrten in den Gärten eines der Piloten oder unter den Bäumen des Quartierbeizlis zurückschauen. Hier bedanken sich die Mitfahrenden mit einem offerierten Bier beim Piloten.